Es gibt Reis!
27 11 2012… singt Helge Schneider in einem sinnfreien, aber witzigen Lied. Doch woher kommt das Nahrungsmittel, dessen jährlicher pro-Kopf-Verbrauch in Laos stattliche 170 kg beträgt? Völlig klar… Reis kommt aus der Uncle-Ben’s-Packung! Oder etwa vom Feld? – Eine Geschichte über den Reis aus der Sicht eines Farmers…
Alles fängt mit ein paar winzigen Samen an, die ich in etwas Erde setze. Nachdem ich die Samen zweimal täglich gieße, bilden sich nach ein paar Tagen schon Sprossen. Zwei Wochen später sind bereits grüne Pflanzen mit Wurzeln entstanden. Für ein Gedeihen des Reises läuft es aber in der Pflanzenwelt nicht anders als beim Menschen: ohne Fruchtbarkeit keine Fortpflanzung. Fruchtbare Erde muss also her! Um dieses kostbare Gut zu erhalten, muss die Erde regelmäßig gewässert und ausgiebig gepflügt werden. Da vor allem das Pflügen per Hand recht anstrengend ist, habe ich mir mal eben einen Büffel als Aushilfe geliehen. Mit den richtigen Signalen für „Los“, „Rechts“, „Links“ und „Stopp“ tut er schließlich auch das, was ich will.
Mit viel Sorgfalt setze ich meine kleinen Reisbabys dann in die gut durchmischte Erde. Über mehrere Wochen hinweg heißt es nun im Wechsel: gießen und gedeihen lassen, gießen und gedeihen lassen… Wie überall auf der Welt gesellt sich irgendwann dieses verdammte Unkraut als unerwünschter Nachbar hinzu, der vertrieben werden muss. Mit etwas Geduld und gutem Einreden auf die Pflanze entwickelt sie sich prächtig und ich erhalte schon bald ein recht trockenes, strohähnliches Resultat. Mit einer scharfen Sichel bewaffnet geht es nun an die Ernte. Anschließend verordne ich dem Reis mehrere Tage Ruhe, um in der Sonne zu trocknen, bevor ich die Reiskörner vom Bündel trennen kann: Das Reisbündel wird dazu mit ordentlich Schmackes auf den Boden geschlagen.
Nun hat man einen Haufen Reiskörner vor sich liegen. Da ich als Farmer – wie auch in anderen Lebensbereichen – wählerisch bin, will ich nur die besten Körner. Mit einem Fächer wedele ich ordentlich Luft durch die Gegend (… bei den Temperaturen wäre das eigentlich dauerhaft angebracht). Und wie es schon Herr Darwin in „survival of the fittest“ wusste: Nur die stärksten, d.h. schwersten Reiskörner blieben übrig. Der Rest hat mein gnadenloses Casting leider nicht überstanden und wird wortwörtlich von der Matte gefegt. Wer sich am Anfang übrigens gefragt hat, wo denn der Samen überhaupt herkommt, hat nun eine Antwort: Von den übrig gebliebenen starken Körnern auf der Matte nehme man sich ein paar gute heraus und verwende sie wie am Anfang beschrieben. Wie war das doch gleich mit dem Huhn und dem Ei?
Danach packe ich meine getroffene Auslese in den sprichwörtlichen Sack, der in China ab und zu umfällt. Und ich sag euch: Das Ding ist schwer und der 4-5 km lange Fußweg in die Stadt zum nächsten Markt ist weit. Dort versuche ich meinem Nachnamen alle Ehre zu machen und die Ernte mit etwas Handelsgeschick zum besten Preis zu verkaufen. Mehr Spaß, als Reis zu veräußern, macht nur noch Reis essen, wozu aber noch rangeklotzt und gestampft werden muss: Mithilfe eines mächtigen Gerätes trenne ich jedes Reiskorn gnadenlos von seiner äußeren Schale. Nur blöd, dass Schale und Korn mittlerweile zwar getrennt, aber noch immer im selben Behälter sind. Um also die „Spreu vom Weizen zu trennen“, kommt alles in eine große Schüssel und wird in die Luft geworfen.
Das übernehmen übrigens traditionell die Frauen, sodass ich mich über eine kleine Pause freuen kann. Da die Schalen leichter als die Körner sind, werden sie schon durch ein kleines Lüftchen vom Winde verweht. Die Körner bleiben in der Schüssel. Da hier mit höchster Effizienz zu Werke gegangen wird, werden die Schalen übrigens noch als Fischfutter und zur Herstellung von Whiskey benutzt.
Nun ist die Frage, welche Sorte Reis ich überhaupt angebaut habe: „steamed rice“ (gedünsteter Reis, so wie wir ihn in Deutschland kennen) oder sogenannter „sticky rice“ („Klebreis“, der vor allem in Laos sehr beliebt ist: Er klebt stark zusammen, sodass man ihn am einfachsten mit der Hand isst). In meinem Fall war es sticky rice, der zur perfekten Zubereitung noch 3 Stunden im Wasser quellen muss. Auch hier ist wieder ein schonender Umgang mit den Ressourcen angesagt: Das nach dem Quellen übrig gebliebene Wasser kann später u.a. zur Herstellung von Shampoo verwendet werden.
Im letzten Schritt dünste ich den Reis im Wassertopf über dem Feuer, bevor es endlich ans Eingemachte geht: Essen! 🙂
Wer das alles nun zu Hause als Hobbygärtner probieren will, hat trotz der umfassenden Beschreibung leider schlechte Karten: Die Ernte erfolgt erst viele Monate, nachdem der Reis gesät wurde, und das Ganze funktioniert nur bei entsprechend tropischen Bedingungen. Demzufolge kommt der Reis in Deutschland (zum Vergleich: pro-Kopf-Verbrauch von ca. 4 kg) wohl doch aus der Uncle-Ben’s-Packung… Beim nächsten Griff in das Regal des heimischen Supermarktes darf aber für einen Augenblick an den tapferen Farmer gedacht werden.
Hallo du tapferer Farmer,
das war ja wieder mal sehr interessant! Bei der nächsten Reismahlzeit werden wir richtig genüsslich jedes einzelne Reiskorn kauen – und uns dabei gaaanz in Ruhe noch einmal seinen Werdegang durch den Kopf gehen lassen…
Schön, dass du alles so „hautnah“ erleben kannst!
Liebe Grüße von Zuhause, deine Mama und Wolfgang
Hej Timo!
der Artikel war mal wieder spitze, unterhaltsam und lehrreich zugleich. was hattest Du noch mal studiert? ^^ Ich wünsche Dir weiter so viel Spaß und Entdeckungen in den fernen Ländern!
Lieben Gruß aus Hamburch, Stephan
Hallo, lieber Timo
a farmer’s job has never been an easy one…;). Sehr interessanter und mit herrlichen Bildern gespickter Bericht. Macht immer wieder Spaß, deine Reiseschilderungen zu lesen. Lass dich nicht unterkriegen, auch, wenn vom Samen bis zum Korn im fernen Asien alles ein wenig länger dauert ;). Ja, was wir hier so alles als selbstverständlich hinnehmen…hm,darüber werde ich nachdenken- frei nach Christian Bischoff(Motivationscoach).
Weiterhin viel Spaß, spannende Abenteuer und nette Begegnungen.
Liebe Grüße aus dem kalten HIG von Ellen und Co